Die Eisenbahn in Baiersdorf

nach Gottfried Wild

      

Als am 7. Dezember 1835 die erste dampfbetriebene Eisenbahn Deutschlands im Königreich Bayern zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet wurde, ahnte noch niemand, dass damit der Beginn einer neuen, sich bald mit bis dahin noch nicht gekannter Geschwindigkeit entwickelnde Epoche eingeläutet wurde..

      

Die ersten Überlegungen, die Eisenbahn auch in Bayern einzuführen, keimten schon kurz nach der Eröffnung der ersten dampfbetriebenen Eisenbahnstrecke zwischen Stockton und Darlington in Großbritannien im Jahre 1825. In jenem Jahr hatte ein erstmals von einer mit Dampf betriebenen Maschine beförderter Zug die Entfernung zwischen den beiden englischen Städten mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h zurückgelegt.

 

Dass ausgerechnet in Bayern die Vorreiter des neuen Verkehrsmittels am Werk waren, erklärt sich mit der geopolitischen Lage des Landes.

In Zentraleuropa gelegen, von den Strömen des Rheins und der Donau über große Entfernungen durchschnitten, die damals als wichtige Handelswege benutzt waren, lag Nürnberg, die Metropole Frankens, am Schnittpunkt aller wichtigen Handelsstraßen, die die Länder unseres Kontinents verbanden.


In Nürnberg trafen wahrhaftig Handelswege aus allen Windrichtungen, die den Austausch der Waren zwischen Nordsee und Orient oder zwischen dem fernen russischen Reich und der emanzipierten Französischen Republik ermöglichten. Dass Händler und Handwerker daran interessiert waren, ihre Waren so schnell wie möglich an die Endverbraucher und auf die entferntesten Märkte zu bringen, liegt auf der Hand.


Somit wurde der Bau der Wasserstraßen, der Kanäle, die die wichtigsten natürlichen Wasserwege miteinander verbinden und zugleich neue Regionen bzw. potentielle Umsatzmärkte erschließen sollten, mit großem Eifer vorangetrieben. Doch der Erfolg der Dampfbahnen in England bot auch den bayerischen Unternehmen plötzlich neue Perspektiven.

 

Schon 1807 präsentierte der bayerische Bergrat Josef Ritter von Baader eine Studie zur Einführung einer Eisenbahnstrecke und stellte sich somit den Kanalplänen in den Weg. 


Im Nymphenburger Park, der Residenz der bayerischen Monarchen wurde vorübergehend sogar eine kurze Probestrecke eingerichtet, die den geringen Rollwiederstand  zwischen Rad und Schiene und die damit herausragenden Vorteile der neuen Technologie veranschaulichen sollte.


Seit dem Jahre 1825  regierte in Bayern König Ludwig 1.

Ein ebenso sparsamer und überlegener aber auch weitsichtiger Monarch, der sich den Problemen des steigenden Handelsaufkommens stets mit großem Interesse zuwandte. Zwar war zu dieser Zeit das Kanalnetz in seinem Reich schon weitgehend ausgebaut und breitete sich auch weiterhin aus, doch die  Eisenbahn bot gewisse Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen waren.


Ein heftiger Disput zwischen Befürwortern des Kanalbaus und der Eisenbahn entbrannte. Die mehr als Experiment gedachte Strecke zwischen Nürnberg und Fürth hatte sich als ein unerwarteter und durchschlagender Erfolg erwiesen, was natürlich die Gemüter noch mehr erhitzte. Mit einem wahr- haftig salomonischen Urteil hatte König Ludwig den Streit zumindest vorübergehend beruhigt, indem er zu Probe-zwecken vorerst beide Verkehrssysteme unterstützte, um

aus der Praxis und dem Vergleich wichtige Erfahrungen zu sammeln. Bevor noch die endgültigen Ergebnisse dieses Experiments vorliegen sollten, entstanden schon wagemutige und weitreichende Projekte für die Einführung der Schienen-wege, nicht nur in Bayern, sondern auch in den übrigen deutschen Fürstentümern.

      

Was aber den Befürwortern der Eisenbahn einen dicken Strich durch die Rechnung machen sollte, war ironischerweise der Erfolg der Bahnstrecke von Nürnberg und Fürth selbst. Diese Strecke lag im Flachland, führte an Gärten und hübsch kultivierten Wiesen vorbei und war eigentlich eine Art Städteverbindung für den Personenverkehr zwischen den beiden, damals noch getrennt liegenden Städten.

      

Der Güterverkehr war auf dieser Strecke eher unbedeutend, auch wenn der erste Zug bezeichnenderweise auch einige Fässer Bier von Fürth befördert hatte. Die Pläne der Bahnbefürworter sahen allerdings vor, schwere Lasten über weite Strecken, über Berge und Flüsse zu befördern und obendrein sollte das neue Verkehrsmittel auch noch den Launen der Natur ausgesetzt  sein.

 

Als die ersten Berechnungen für weite Überlandstrecken erstellt wurden, schossen die Kosten in unerreichbare Höhen, die kaum zu finanzieren waren. Viele der vorher in aller Eile gegründeten Aktiengesellschaften kamen ins Wanken und die finanziellen Mittel verschiedener privater Initiativen und Interessenten versiegten plötzlich.


Die bis dahin erteilten Konzessionen für den Bau der geplanten Strecken München - Salzburg, Augsburg - Lindau und Nürnberg - Augsburg mussten wieder zurückgegeben werden, aus Mangel an finanziellen Mitteln. Der Bahnbau, aber allem voran, die Bahnprojekte kamen generell ins Stocken.

 

Mit der im Jahre 1840 eröffneten Strecke  München - Augsburg waren vorerst sämtliche privaten Bahnprojekte in Bayern beendet, bzw. weitere Projekte gescheitert. Doch die Zeit drängte. Bayern war plötzlich isoliert, während die benachbarten Länder und Herzogtümer weiter Bahnstrecken projektierten und bauten. Sollten diese Planungen in die Tat umgesetzt werden, wäre das Königreich Bayern von den wichtigsten Verkehrsmitteln abgeschnitten gewesen, der Handel erlahmt, das Handwerk versiegt. Das  Gespenst des totalen wirtschaftlichen Ruins warf schon seine drohenden Schatten über Bayern.


Am 1. Juli 1841  nahm die Eisenbahnbau-Komission ihre Arbeit auf, unter der Führung erfahrener Ingenieure und Architekten. Ludwig 1. hatte vorher beschlossen, den Eisenbahnbau auf Staatskosten weiter zu führen. Vorher hatten schon Gespräche mit dem Königreich Sachsen und dem Herzogtum Sachsen - Altenburg stattgefunden, die eine Verbindung der bayerischen Staatsbahn Richtung Norden, nach Leipzig, festgesetzt hatte. Dass Ludwig einen ausgeprägten praktischen Sinn besaß, beweisen viele seiner Entscheidungen wie z.B., der Bau eines einzigen Bahnhofs sowohl für die Verbindung nach Fürth als auch für die Nordbayerische Strecke.


Gemäß den damaligen Gepflogenheiten, baute jede Bahngesellschaft ihre Bahnhöfe für sich alleine, oft nur wenige hundert Meter von der benachbarten Bahnstrecke entfernt, was aber zur Folge hatte, dass zeitraubende und kostspielige Waren- und Passagiertransfers nötig waren.


Wer auf einer Landkarte die Entwicklung der Eisenbahn auf Bayerns Boden verfolgt, wird bald feststellen, dass der eiserne Weg den alten, historischen Handelsstraßen folgte, die schon aus früher Zeit die Länder Europas miteinander verbanden. Die oben erwähnte nordbayerische Strecke, die Augsburg mit der damaligen sächsischen Grenze verbinden sollte, ist ein typisches Beispiel dafür.


Im Juli, bzw. November 1842  wurde mit dem Bau der Strecken Nürnberg - Bamberg und Augsburg - Donauwörth begonnen.

Die Strecke der Nord-Süd-Bahn führte von Augsburg nach Nürnberg, Fürth,  weiter über Erlangen, nach Bamberg.

Zwischen Erlangen und Forchheim berührte die Trasse die Ortschaften Bubenreuth und Baiersdorf. Mit Erlass vom 9. Februar 1843 wurde auf Geheiß Ludwigs beschlossen, die Strecke nach Norden, über Erlangen nach Bamberg so zu planen, dass ein doppelspuriger Ausbau mühelos nachzuvoll-ziehen wäre. Ebenso verfügte der Monarch, den Erlanger Burgberg zu untertunneln, um enge Kurven zu vermeiden.


Der für seine Sparsamkeit bekannte König, verpflichtete auch die Architektur zu einem strengen Sparkurs. Bei Hochbauten sollte „namentlich nur das, was dem Zweck erfordert, in das Auge gefasst, aller Luxus zu vermeiden und überall nach größter Kostensparung getrachtet“. So entstand eine typische Architektur für die Bauten derLudwigsbahn, die zwar schlicht und einfach erscheint, dennoch solide und funktionell war.

      

Die Einfachheit dieser architektonischen Linie besticht weiterhin durch eine wohlproportionierte, harmonische Gestaltung, was auch heute noch an den erhaltenen Gebäuden zu beobachten ist, so auch am Baiersdorfer Bahnhof.

      

Ludwig war sparsam, indem er nur unnötigen Ballast vermied. Sicherheit und Funktionalität des Eisenbahnbetriebs standen jedoch an erster Stelle und hier wurde auch dementsprechend investiert. Die neu zu eröffnende Bahn hatte auch einen Na-men bekommen, die „Ludwig-Nord-Süd-Bahn“, ein Name, der auf einen Vorschlag des Innenministers von Apel zurückging und der von Ludwig am 12. April des Jahres, also wenige Monate vor der offiziellen Eröffnung der Bahn, wohlwollend

genehmigt wurde.

      

Nun sollte jetzt auch die Stadt Baiersdorf an die staatliche Bahn  angeschlossen werden und somit einen Zugang zu den wichtigen Handelsstrassen des Kontinents erhalten. Schon ein Jahr davor wurde der Kanal, der „Ludwigs-Kanal“ eröffnet und dieser führte ebenfalls durch Baiersdorf. Doch mit der Eröffnung der Bahnstrecke durch Baiersdorf, eröffneten sich dem Handel und dem Handwerk in der Stadt und in der Umgebung selbst die Möglichkeit, die Produktivität ihrer Be-triebe zu steigern und die Waren schneller auf die Märkte zu bringen.

      

Auch beim Bau des Kanals hatte König Ludwig 1. Pate gestanden. Sinnbildlich standen sich in Baiersdorf beide Transportsysteme gegenüber, nur wenige Meter voneinander entfernt. 

 

In dem Verordnung- und Betriebsblatt der Königlich Baye-

rischen Eisenbahnen vom 31.7.1845  wird der Baiersdorfer Bahnhof als Expedition von Gütern bezeichnet,  betriebstechnisch war er eine Wasserstation, in der die Lokomotiven Wasser fassen konnten. 

Der Bahnhof, der sich heute noch weitgehend in der Ursprungsausführung präsentiert und somit zu den ältesten in Bayern noch erhaltenen Bahnhöfen gehört, ist vom Architekten Karl Friedrich Andreas Klumpp im Jahre 1842  entworfen worden.

      

Das zweigeschossige Gebäude hat die Umrisse eines Rechtecks von 13 x 17 Metern und ist aus geschliffenen Atzelsberger Sandsteinblöcken gebaut. 

Der Tunnel unter dem Erlanger Burgberg ist aus dem gleichen Sandstein erbaut. Im Erdgeschoß des Baiersdorfer Bahnhofs waren die Betriebsräume untergebracht, wie Wartesaal, Kassen, Paketräume und die Wächterstube. Im Obergeschoß befand sich eine große Wohnung für den Expeditor. 

 

 


 

> „Allgemeiner Taschen-Atlas der europäischen  

    Eisenbahnen" Schweinfurt

> Stadtbibliothek Nürnberg, Nor k.2416 (6)

> Sammlung Klebes, Erlangen

> Bischoff, Baiersdorf 600 Jahresfeier Seite 154


 

Eine Wagenremise, ein Wasserhaus und ein Kohlenmagazin ergänzten noch den Betriebshof des Bahnhofs, um einen reibungslosen Betrieb der Strecke zu ermöglichen.

Zum Geburts- und Namensfest des Königs Ludwig 1. von Bayern, dem 26. August 1844, wurde die erste bayerische Staatsbahnstrecke eröffnet und auch gleich im Betrieb genommen. Ende des gleichen Jahres sollten die ersten 100 Kilometer der bayerischen Staatsbahn von Augsburg nach Bamberg schon im Betrieb gehen, auch wenn noch einige Lücken zu schließen waren. An jenem denkwürdigen 26. August, also ein Tag nach der offiziellen Einweihung der Bahn, fuhr ein Eröffnungszug von Nürnberg nach Bamberg. 

Es war ein langer Zug, bestehend aus nicht weniger als 14 Waggons. Für die damalige Zeit, mit ihren noch kleinen und manchmal unsicheren Lokomotiven, eine beachtliche Leistung. In den Waggons waren alles geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur, die Spitzen des damaligen Lebens in Bayern. Es wird erzählt, dass in Baiersdorf für den Eröffnungszug kein Halt vorgesehen war, es sollte also durchgefahren werden. Punkt 07:00 Uhr morgens setzte sich der Zug im Bahnhof Nürnberg in Bewegung. 


Die Baiersdorfer hatten aber beschlossen, die Eisenbahn in ihrem neuen Bahnhof zu empfangen und zu begrüßen und das hatte zur Folge, dass ein außerplanmäßiger Halt in Baiersdorf gemacht wurde. So groß war die Bedeutung, die man damals der Bahn beimaß! Am späten Nachmittag, als der Zug von Bamberg zurück nach Nürnberg fuhr, wurde um 15 Uhr erneut Halt in Baiersdorf gemacht, auch diesmal außerplanmäßig.

Überlassen wir doch das Wort über die erste Begegnung Baiersdorfs mit der Bahn dem Stadtrat aus jener Zeit, so wie er erlebt und im Protokollbuch der  Stadt niedergeschrieben hat:


Zu dieser Feierlichkeit versammelte sich auf dem Kirchenplatz Morgens 06:30 Uhr die Gemeindeverwaltung, dann der Königliche Stadtpfarrer und der Lokalschulinspektor mit den Lehrern und der gesamten christlichen und jüdischen

Schuljugend von wo aus sich der Zug durch die Waaggasse auf die Hauptstrasse und sodann durch die Vorstadt und über die Kanalbrücke in den Bahnhof verfügte.


Auf dem Bahnhof stellte sich der Zug an dem ihm bestimmten Platze zwischen dem Wasser- und Kohlenhause auf.

 

Um 08:00 Uhr kam der Eisenbahnzug, bestehend aus 14 Waggons, von denen der des Königlichen Comissärs, Herrn Finanzminister von Sinsheim, besonders ausgeschmückt und verziert war. Die Mitglieder der Gemeindeversammlung sowie der K. Stadtpfarrer machten vor allem seiner Exzellenz, dem benannten Herrn Königlichem Comissär die Aufwartung, worauf von einem der Mädchen das nachstehende Gedicht vorgetragen, und sodann dasselbe, welches zierlich in eine Mappe gebunden war, nebst einem großen Blumenstrauß überreicht worden war.


Von der Schuljugend und den Mitgliedern des Gesangvereins und vielen anderen anwesenden Personen wurde unter Musikbegleitung das bayeri​sche  Volkslied ‘Heil unserem König, Heil‘ abge​sungen, und während des dritten  Verses setzte sich der Eisenbahnzug wieder in Bewegung, nach​dem vorher Herr Finanzminister sehr freundlich für die ihm gewordene freundliche Uberraschung dankte, und auch dem Gemeindevorstand zur Mitfahrt nach Bamberg eingeladen hatte.


Auf dem Bahnhof war eine große bayerische Flagge auf einer hohen blau und weiß gestrichenen Stange angebracht, und die Gebäude waren alle mit Laubwerk und Blumen verziert.   Zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Sicherheit sind

6 Gendarmen hierher beordert worden, die bei den hiesigen Gastwirten am 24., 25. und 26. August einquartiert waren.


Das überreichte Lied lautet folgendermaßen


1.) Willkommen auf unserem Flur! Ihr nahtet auf eiserner Spur! Ihr kommt mit des Sturmwindes Brausen, er theilet die Lüfte mit Sausen! Willkommener Klang unserem Ohr! Froh jauchzen zu Euch wir empor!


 

2.) Geknüpft ist das eiserne Band! Es einigt die Stadt und das Land! Wir stehen als geschlossene Glieder. Wir reichen die Hand uns als Brüder,

ja, eins sey die Hand und das Herz, zu theilen die Lust und den Schmerz.


 

3.) Glück auf zu dem ehernen Flug! Gott schirme den festlichen Zug! Gekrönt wird am glücklichen Morgen, die Mühe, des Königes Sorgen! Verkündets den heimischen Gaun! Sie harren. Euch jubelnd zu schaun!


 

4.) Gib Segen o Herr und Gedeihn, dem Werke, das heute wir weihn! Es diene dem Wohlstand, dem Frieden! Vor Unglück uns wollest behüten. Ja decke mit schirmender Hand, den König, das Vaterland


 

G.w.u.: Fleischmann, Gechter Kölbel Friedrich, Türk, Arzberger, Fick, L.L.Text aus „Erlanger Heimatblätter“, Nr 1 vom 10.01.1951, XXXII4 3.L.1


 

Es wird erzählt, dass der heute noch neben dem Bahnhof stehende alte Lindenbaum aus jenem Anlass gepflanzt worden ist. Der Bahnhof erfüllte dann für viele Jahrzehnte und zur vollen Zufriedenheit der Bahnverwaltung die Aufgabe für die er errichtet worden war und brachte Baiersdorf einen nie davor gekannten Aufschwung.


Doch zunächst kam die große Rezession. Fuhrleute, Schmiede und Gastwirte, die bis dahin ihren Lebensunterhalt aus dem Postkutschen- und  Waren-fuhrbetrieb aufgebaut hatten, verloren schlagartig ihre Kunden, die nun ihre Waren mit der Bahn verschickten oder sie selbst benutzten.  


 

Es sollte mehrere Jahre dauern bis sich das durch das neue Verkehrsmittel erzeugte wirtschaftliche Vakuum ausgleichen sollte.


 


 


 


 


 


 


 


 

Fahrplan und Fahrkarten aus Baiersdorf, um 1900. Sammlung Kopp, Igelsdorf.


 

Im Jahre 1854 wurde in diesem Gebäude auch der Postdienst untergebracht. Dass der Bahnhof in den Unterlagen der Bahn als Expedition eingestuft wird, geht aus der Tatsache hervor, dass der Frachtumsatz in jener Zeit hier beachtlich war.


Aus sämtlichen Orten der Umgebung brachten Handwerker, Händler und Landwirte ihre Güter zum Baiersdorfer Bahnhof, um sie weiter auf dem Schienenweg zu befördern. Bald wurde ein kleines Lagerhaus mit Laderampe an den Gleisen errichtet, an der Zufuhrstrasse.


Im Jahre 1861 wurden Landes-Vermessungen unternommen, um eine neue Grenzziehung zwischen den Ortschaften Langensendelbach und Baiersdorf festzulegen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war der Bahnhof auf dem Grund der Gemeinde Langensendelbach gestanden und gehörte somit zu Oberfranken, während die Stadt Baiersdorf selbst zu Mittelfranken gehörte.

Nach 1861 standen nun Stadt und Bahnhof auf gemeinsamen Boden. 


 

Bahnhof Baiersdorf zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der Gleisseite gesehen.


 

Ein Gleisplan aus dem Jahre 1914 lässt die Bedeutung des Bahnhofs leicht erkennen. An der Laderampe lagen zwei zusätzliche Gleise, die mit mehreren Weichen und Abstellgleisen ein leichtes Rangieren der Güterwaggons ermög-lichten. 

 

Baiersdorf war aber auch als Überholbahnhof konzipiert, wie aus dem gleichen Plan ersichtlich. Das heißt, Personenzüge konnten hier von nachfol-genden Schnellzügen überholt werden.

 

Diese Aufgabe erfüllt Baiersdorf auch heute noch, auch wenn die Rangordnung der Gleise während der im Jahre  1936 begonnenen Eiektrifizierungsarbeiten verändert wurde.

 

Das Überholgleis befand sich bis zu diesem Zeitpunkt in der Mitte, zwischen den beiden Hauptgleisen.


 

Im Jahre 1939 wurden die Arbeiten zur Elektrifizierung der Strecke  abgeschlossen 


 


 

Heute ist das Überholgleis als Gleis 3 seitlich des Gleisfeldes gelegen. Um die Signale, die den Verkehr regelten, sowie die Weichen aus dem Bahnhofsareal zu betätigen, wurde nach dem ersten Weltkrieg nach Musterblättern der neu gegründeten Deutschen Reichsbahn Verwaltung, ein neues Stellwerk nördlich des Bahnhofs, Richtung Kersbach errichtet.

 

Das alte Stellwerk am Bahnhof, gleich am Bahnsteig gelegen, an der Stelle, an der sich, als im Bahnhofsgebäude das Gasthaus eingezogen war ein kleines  Nebenzimmer befand, war zu klein geworden. Und allem voran, dadurch, dass es ebenerdig lag, gewährleistete es keinen freien Überblick entlang der  Strecke, in beide Richtungen.

 

Das neue Stellwerk bei Kersbach war bis vor wenigen Jahren noch im Betrieb, ist aber inzwischen abgetragen.


 


 

Das alte Stellwerk nördlich von Baiersdorf,  Anfang der 1980er Jahre. Im Hintergrung Großbrand in Poxdorf. Sammlung Barth, Baiersdorf 

 

Im Jahre 1984 wurde das Bahnhofsgebäude verkauft und dient heute anderen Zwecken. Damit hatte das Gebäude, genau 150 Jahre nach seiner feierlicher Eröffnung, aufgehört der Eisenbahn zu dienen.

 

Die Automatisierung, sei es bei der Betätigung der Weichen, der Signale oder der Einlösung von Fahrkarten, hatte dem alten Bahnhof auch die letzte Daseinsberechtigung wegge-

nommen.


Der Frachtenumsatz ist ebenfalls stark zurückgegangen, auch wenn er nicht ganz zum Erliegen gekommen ist. Ein Hoffnungsschimmer? Erfreulicherweise ist das Gebäude des alten Bahnhofs erhalten geblieben und, wenn auch zweckentfremdet, vermittelt es auch heute noch seinen ursprünglichen Eindruck.


 

Auch das Mausloch ist heute verschwunden. Wer kennt es noch, das Mausloch, die ehe- malige Unterführung  unter den Gleisen, für Radfahrer und Fußgänger, das aber auch einem Gogomobil noch die Durchfahrt knapp erlaubte, größere Wagen sich allerdings schon mal zwischen seinen Mauern verkeilten. 

Das Mausloch lag an der Südausfahrt von Baiersdorf, Richtung Erlangen, nicht weit von der Stelle, wo der Schlangenbach sich unter den Gleisen durchschlängelt. 

Heute ist diese Unterführung, die von Baiersdorf nach Igelsdorf führte, verschwunden, zugeschüttet mit Erde, als die neue Unterführung beim Bahnhof gebaut wur-de. Nur ein kleiner Erdhügel neben den Gleisen, vom Gestrüpp dicht überwachsen, markiert noch diese Stelle und die wenigsten der heutigen Reisenden wissen noch was vom alten Mausloch in Baiersdorf.


Das Baiersdorfer Mausloch in den1970er Jahren

 

Sammlung Barth, Baiersdorf.


Zum 150 jährigen Jubiläum derEisenbahnstrecke Nürnberg-Bamberg, fand am Baiersdorfer Bahnhof eine „Bahnhofskärwa“ statt.

Ein historischer Zug war aus Nürnberg vorgefahren und wie einst, vom damaligen Bürgermeister Siegfried Fischer begrüßt worden. Auch dampfbespannte Sonderzüge machten wieder Halt in Baiersdorf und auf dem Bahnhofsvorplatz sorgten Biergarten, ein Karussell sowie lmbissbuden für heitere Stimmung.  Vielleicht sollte die Geschichte der Eisenbahn in Baiersdorf nicht so plötzlich enden und wir sollten unserer Phantasie noch ein wenig Freiheit gönnen. Ja, was hätte werden können, wenn... wenn zum Beispiel, der im Jahre 1891 in Forchheim, etwa acht Kilometer,  weiter nördlich von Baiersdorf begonnene Bau einer Eisenbahnstrecke Richtung Westen über Höchstadt/Aisch, weiter nach Neustadt/Aisch geführt worden wäre, anstatt einen nie vollendeten Lückenschluss bei Ühlfeld zu hinter-lassen...


Dann allerdings wäre Forchheim, an der ehemaligen Nord - Süd - Ludwigsbahn gelegen, vermutlich ein wichtiger Knotenpunkt geworden, der im wahrsten Sinne des Wortes alle Himmelsrichtungen miteinander verbunden hätte.

 

Forchheim hätte ein breites Gleisfeld erhalten, vermutlich.

Weiterhin, einen größeren Lokschuppen, Bekohlungsanlagen, Werkstätte und vieles anderes mehr.

 

Und Baiersdorf, im Vorhof dieser umfangreichen Eisenbahnanlagen, wäre vermutlich ebenfalls weiter ausgebaut worden, mit mehreren Gleisen, als wichtiger Überholbahnhof für Güterzüge, um Erlangen zu entlasten.

 

Für Reisende, die in Baiersdorf den Zug bestiegen hätten, hätte es eine  direkte Verbindung nach Bayreuth oder Würzburg gegeben, über Forchheim.

 

Ob dann der schöne alte Bahnhof in Baiersdorf noch erhalten geblieben wäre, oder vermutlich einem neuen, größeren Bahnhof gewichen?... Was wäre gewesen, wenn... 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Eingang zum Bahnhof  Baiersdorf im Jahre 1977, Sammlung Barth, Baiersdorf


 

Literaturquellen:

> Baiersdorf, zur 600 Jahr Feier, Johannes Bischoff, 1953,   

   Baiersdorf>      

  „Erlanger Heimatblätter“, Nr. 1 vom 10.01.1951, XXXIV,  

   3.L.1  Seite 9 

 

>  Die Bahnhöfe der Ludwigs-Nord-Süd-Bahn (1841 bis  

    1854).Beatrice  

    Sendner-Rieger, 1989, Deutsche Gesellschaft für  

    Eisenbahngeschichte   

 

>  Links und rechts der Wiesenttalbahn, Günther Klebes,  

    1984, Erlangen    

 

>  Museumsbahn Höchstadt/Aisch — Hemhofen, Günther  

    Klebes, 1992  

    Bleiweis, Schweinfurt 



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